Rückenschmerzen
Glücklicherweise stecken hinter Rückenschmerzen nur sehr selten ernsthafte Erkrankungen. Krebs- und Rheumaleiden sind bei weniger als einem Prozent der Betroffenen die Schmerzursache, weniger als 20 Prozent gehen auf das Konto von Bandscheibenvorfällen oder Einengungen des Wirbelkanals. Bei der Mehrzahl, handelt es sich demgegenüber um sogenannte „funktionelle“ oder „unspezifische“ Rückenschmerzen. Sie sind nicht das Ergebnis von Veränderungen an der Wirbelsäule, sondern Störungen im komplexen System aus Muskeln, Gelenken und Bändern des Rückens. Manche Muskeln sind überfordert, andere unterfordert, sie verhärten und verkürzen sich. Schuld daran sind häufig Bewegungsmangel, Fehlhaltungen, zu wenig Entspannung oder Stress in der Familie und am Arbeitsplatz. Vielen Menschen sind diese Zusammenhänge nicht bewusst: die Entstehung von chronischem Rückenschmerz hat sehr viel mit dem Alltagsleben zu tun, mehr sogar als mit der Wirbelsäule an sich.
Wie wird aus akutem Rückenschmerz chronischer Rückenschmerz?
Es gibt nicht nur eine Ursache für chronische Rückenschmerzen. Körperliche Über- oder Unterforderung sowie Fehlhaltungen und Belastungen am Arbeitsplatz spielen bei der Chronifizierung von Schmerzen eine Rolle. In der Regel ist Dauerschmerz die Antwort des Körpers auf ein mehrfach gestörtes Zusammenspiel von akutem Schmerz, falschem Schonungsverhalten und Problemen in Beruf und Familie.
Welche Diagnostik ist nötig?
Es steht ein breites Spektrum abgestufter diagnostischer Methoden zur Verfügung. (weiter 3.2.1.1)
Was kann man gegen akute Rückenschmerzen tun?
Rückenleiden können mit vielfältigen Strategien angegangen werden. (weiter 3.2.1.2)
Video: Ein Experte für Rückenschmerzen spricht über Ursachen und Möglichkeiten zur Behandlung. Professor Michael Pfingsten, Universität Göttingen
http://www.youtube.com/watch?v=4d98o-yCDwY
Das Studiogespräch zum Thema Rückenschmerzen. | Fit & Gesund
Diagnostik bei Rückenschmerzen
Als akut und „subakut“ bezeichnet man Rückenschmerzen, die nicht länger als zwölf Wochen dauern. Beim Auftreten von akutem Rückenschmerz reicht zunächst eine körperliche Untersuchung aus. Bei der Befunderhebung (Anamnese) achtet der Arzt auf Warnzeichen und kann so bedrohliche Erkrankungen in der Regel rasch ausschließen. Kann der Arzt keine Alarmzeichen finden, die eine weitere Diagnostik erfordern, ist in den ersten vier bis sechs Wochen auch kein Röntgenbild erforderlich.
Wichtig ist die körperliche Untersuchung einschl. manueller Diagnostik. Bei anhaltenden Beschwerden ist neben der bildgebenden Diagnostik (Röntgen, MRT , CT ) eine Analyse des Bewegungsmusters sinnvoll. Dies kann z.B. mit einer Muskeluntersuchung (EMG, 3D, Bewegungsvideo ) ergänzt werden, was die weitere Therapieplanung unterstützt. Auch die körperliche Erschöpfung spielt häufig eine Rolle und kann mit Hilfe einer Leistungsdiagnostik beurteilt werden (Fitness-check).
Bei den meisten Menschen treten im Lauf des Lebens Veränderungen an der Wirbelsäule auf. Doch in wissenschaftlichen Studien wurde gezeigt, dass diese häufig
kaum Probleme verursachen. Schmerzspezialisten sind sich einig, dass bei chronischen Rückenleiden in vielen Fällen sogenannte psychosoziale Faktoren, also
Familie, Arbeit und Lebensstil oft wichtiger sind als biologische Veränderungen. Auch Reaktionen auf Belastungen und Stress sind hier bedeutsam. Hier ergänzt eine EMG-Untersuchung mit Belastungstest die Diagnostik.
Besondere Leistungen/Diagnostik
Informieren Sie sich über unsere besonderen Diagnostik-Verfahren. (weiter zu 2.6.6)
Was kann man gegen akute Rückenschmerzen tun?
Krankschreibungen führen bei Rückenschmerzen nicht sehr weit. Bei akuten Schmerzen ohne Warnzeichen sind in der Regel zwei Tage Schonung ausreichend – und eine gute Schmerzbehandlung. Das Ziel sollte eine möglichst schnelle Rückkehr in den aktiven Lebensalltag sein. Schmerztherapeuten setzen schon lange nicht mehr auf Ruhe und Schonung, sondern auf eine möglichst schnelle Mobilisierung. Das A und O in der akuten Phase ist die medikamentöse Schmerzlinderung, weil diese die Voraussetzung für körperliche Aktivität ist. Hält der Rückenschmerz über mehrere Wochen an, muss er mit vielfältigen Strategien angegangen werden. Als Standard hat sich in der Behandlung chronischer Rückenschmerzen die sogenannte „multimodale Schmerztherapie“ durchgesetzt. Dazu gehören Maßnahmen aus der Bewegungs-, Verhaltens- und Psychotherapie. Das Ziel der Behandlung ist die Wiederherstellung gestörter körperlicher, seelischer und sozialer Funktionen.
Sind die Rückenschmerzen bereits chronifiziert oder bringen die eingesetzten Medikamente nicht genug Linderung, kommen Opioide zum Einsatz. Ziel der Therapie ist es, den Schmerz rund um die Uhr in Schach zu halten. Bei den sogenannten „retardierten Arzneiformen“ ist die Wirksubstanz so „verpackt“, dass sie kontinuierlich freigesetzt wird und der Wirkstoffspiegel im Blut konstant bleibt. Diese Opioide werden nicht nach Bedarf, sondern nach einem strikten Zeitplan eingenommen. Das verhindert, dass der Wirkstoff plötzlich anflutet und der dadurch entstehende „Kick“ zu psychischer Abhängigkeit führt.
Allerdings helfen Opioide nicht allen Schmerzpatienten. Langfristig bewirken sie nur bei der Hälfte der Patienten eine deutliche Schmerzerleichterung. Auch haben sie Nebenwirkungen. Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Juckreiz und Probleme beim Wasserlassen können auftreten. Einige dieser Nebenwirkungen bessern sich aber meist im Lauf der Behandlung.
Was tun bei akuten Rückenschmerzen?
Weitere Fragen und Antworten zum Thema: Spritzen, Medikamente, OP, sinnvolle Therapien etc.
Wann helfen Spritzen?
Akuter Rückenschmerz kann auch durch das Einspritzen von örtlichen Betäubungsmitteln in der Nähe des Rückenmarks, an Nervenaustrittstellen und in so genannte muskuläre Triggerpunkte oder andere schmerzauslösende Regionen an Sehnen, Gelenkkapseln gelindert werden. Triggerpunkte sind überempfindliche Stellen in einer tastbaren Muskelverhärtung. Sie entstehen dort, wo eine Nervenendigung Bewegungsimpulse an den chronisch überforderten Muskel überträgt. Die Injektion kann die Schmerzen lindern. Wichtig ist jedoch, dass sie mit Bewegungs- und Entspannungstherapie kombiniert wird.
Bei der s.g. Leitungsblockade oder Leitungsanästhesie spritzt der Arzt ein örtliches Betäubungsmittel in die Umgebung der übererregten Nervenfasern. So kann er ein Nerv oder eine Nervenabzweigung gezielt ausschalten. Auch entzündungshemmende und abschwellende Substanzen können gespritzt werden, um die Spirale aus Schwellung, Entzündung und Schmerz zu unterbrechen.
Welche Bewegungstherapie ist wirksam?
Sportliche Betätigung ist wirksamer als passive physiotherapeutische Maßnahmen wie Massage, Fango oder Wärme- und Kältebehandlung. Diese Maßnahmen bringen Linderung, solange der Patient noch nicht in der Lage ist, aktiv Sport zu treiben. Sobald dies möglich ist, sollte aber ein Rückenschmerzpatient in die aktive Phase übergehen. Es gibt bislang keine eindeutigen Empfehlungen, welche Sportarten effizienter als andere sind. Darum empfehlen Experten, dem Lustprinzip zu folgen: Die Bewegung sollte vor allem Spaß machen, ob Radeln, Walking, Wassergymnastik, Schwimmen, Yoga oder Tai-Chi. Im Mittelpunkt soll dabei nicht die „Bekämpfung“ des Schmerzes stehen, sondern die Lebensfreude.
Welche medizinischen Maßnahmen gibt es außer Medikamenten?
Die Akupunkturbehandlung hat sich in der Therapie von Rückenschmerzen bewährt. Die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) gehört ebenso wie die Akupunktur zu den so genannten gegenirritativen Verfahren. Es werden Elektroden auf die Haut geklebt, die niederfrequente Wechselströme aussenden und dadurch ein sanftes Kribbeln erzeugen. Die Stromreize „übertönen“ die Schmerzreize und führen so zur Schmerzlinderung.
Die Manuelle Therapie hat ihren festen Platz innerhalb der Schmerztherapie. Ob naturheilkundliche Verfahren wie Hydro-, Thermo- oder Atemtherapie, Homöopathie oder fernöstliche Methoden wie Qigong, Akupressur oder Yoga - es gibt ein kaum überschaubares Angebot an ergänzenden Behandlungsmethoden, die im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie nützlich sein können. Sie ersetzen jedoch nicht deren tragende Säulen:
Medikamente, Bewegungs- und Verhaltenstherapie.
Welche verhaltensmedizinischen Maßnahmen gehören zur multimodalen Schmerztherapie?
Verhaltensmedizinisches Training ist genauso wichtig wie körperliches Training. Denn Dauerschmerz ist das Ergebnis eines dynamischen Lernprozesses, an dem Körper und Seele gleichermaßen beteiligt sind. Deshalb muss die Psyche in die Behandlung chronischer Schmerzen ebenso einbezogen werden wie der Körper. Das Ziel ist es, Gewohnheiten aufzudecken, welche den Schmerz verstärken und stattdessen gesundheitsförderndes Verhalten zu erlernen. Dazu gehört der Abbau von Vermeidungs- und Schonungsverhalten, sowie von Angst. Diesen Plan verfolgen Ärzte und Therapeuten anhand spezieller Patientenschulungen, Verhaltenstherapie und Entspannungsübungen.
Auch das soziale Umfeld wird im Rahmen der multimodalen Therapie erkundet. Hat der Patient das Gefühl, in der Familie oder am Arbeitsplatz zu wenig mitbestimmen zu können, werden Lösungsvorschläge gesucht. Ergotherapeutische Schulungen sollen helfen, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu steigern. Ist dies wegen körperlicher Überlastung nicht möglich, gehört eine Umschulung zum Behandlungsplan.
Wann ist eine Bandscheiben-Operation nötig?
Bei unspezifischen Rückenschmerzen raten Experten von Operationen ab. Nur bei Lähmungen und Blasen- oder Mastdarmschwäche ist sofort eine Operation notwendig.
In allen anderen Fällen können die Schmerzen durch eine professionelle Schmerztherapie gebessert oder gar geheilt werden. Nur wenn die multimodale Schmerztherapie keine Besserung erbracht hat, ist eine Operation zu erwägen.
Bei Bandscheiben-Operationen muss der eingeklemmte Nerv entlastet werden. Bei 30 von 100 Patienten kehren nach einem offenen Bandscheiben-Eingriff die Schmerzen zurück. Nach mikrochirurgischen Eingriffen kommt dies bei zwölf von 100 Patienten vor. Über den Erfolg der minimal-invasiven Operationstechnik gibt es noch wenig Erfahrung.
Schmerzspirale
Anhaltende Rückenschmerzen werden durch viele verschiedene Faktoren verursacht u.a. auch durch Verhaltensweisen und Schmerzverarbeitungsveränderungen